Viele Projekte in Unternehmen werden nicht rein intern durchgeführt, sondern mindestens zum Teil, wenn nicht komplett durch externe Dienstleister. Wenn man agil arbeiten möchte, stellt sich daher die Frage, wie das mit einer externen Beauftragung zusammen passt.
Vergesst den agilen Festpreis
Eine Beauftragung zum Festpreis ist denkbar, aber kontraproduktiv – zumindest, wenn es um die Vergabe als Gewerk geht. Um den Vertrag zu vereinbaren, muss vorher aufwändig definiert werden, welcher Inhalt “agil” erbracht werden soll – streng genommen eine Art Lastenheft. Das ist natürlich das Gegenteil eines agilen Vorgehens und nimmt von Beginn an jegliche Flexibilität. Manchmal hält sich der Auftraggeber im Vertrag eine Art Ausweg offen um später Teile des vereinbarten Leistungsumfangs anpassen zu können. Hat er im Projektverlauf gemerkt, dass die Lösung doch anders als geplant aussehen sollte, so will er vereinbarte Teile aus dem Vertrag heraus nehmen können und “gleichwertige” neue dafür herein. Das birgt natürlich Konfliktpotenzial, denn wann sind schon unterschiedliche Funktionalitäten gleichwertig – insbesondere aus Sicht des Auftraggebers und des Auftragnehmers. Die Folge sind noch mehr Vertragsverhandlungen und zwar über die gesamte Projektdauer. In keinem Fall begünstigt eine Gewerksbeauftragung zum Festpreis aber die Idee früh aus der Umsetzung zu lernen und das eigene Vorgehen an das Gelernte oder die veränderten Außenbedingungen anzupassen. Dafür bleibt im vereinbarten Gewerk kein Freiraum.
Beauftragt agil!
Wie kann man dennoch von einem agilen Vorgehen profitieren, wenn ein Dienstleister im Projekt arbeitet? Eine Möglichkeit ist die Beauftragung als Dienstleistung. Dazu vereinbaren die beteiligten Parteien zunächst die Erbringung von definierten Aufwänden in einem konkreten Zeitraum um mit dem Projekt zu beginnen. Nennen wir das eine Tranche. Diese Tranche sollte mindestens 3 Sprints bzw. mindestens 6 Wochen umfassen. Weniger Zeit wäre problematisch, da kein Team aus dem Stand performt oder Erkenntnisse mit Mehrwert im Projekt sammeln könnte. Am Ende der Tranche bewertet der Auftraggeber das Erreichte unter zwei Gesichtspunkten – einerseits die inhaltlichen Erkenntnisse aus dem Gelernten der Tranche: Zeigt mein Projekt die erhofften Effekte? Ist der gewählte Ansatz vielversprechend? Anderseits bewertet der Auftraggeber die Performance des Dienstleisters: Bin ich mit seinen Leistungen zufrieden? Passt die Art der Zusammenarbeit für mich? Damit kann der Auftraggeber nach einer Tranche bewusst und anhand konkreter Erfahrungen entscheiden, ob er weiter machen möchte. Im positiven Fall wird dann die nächste Tranche beauftragt. Das wiederholt der Auftraggeber so lange, wie er einen sinnvollen Mehrwert aus der nächsten Tranche erwartet (und sich die Beauftragung leisten kann oder will).
Dieses Vorgehen hat einen Nachteil:
- Im Vorfeld ist nicht klar, welche Kosten insgesamt für das Projekt entstehen werden.
Dem stehen einige Vorteile gegenüber:
- Der Dienstleister muss sich fortwährend ernsthaft im Projekt bemühen, da er jederzeit “abgesetzt” werden kann. Dies ist ein wichtiger Unterschied zu Gewerksbeauftragungen, bei denen jeder Dienstleister einen expliziten Anreiz hat, die vereinbarte Leistung mit dem geringstmöglichen Aufwand zu erbringen.
- Es besteht jederzeit vollständige Transparenz über Kosten und Fortschritt.
- Der Auftraggeber hat die volle Kontrolle: Jederzeit kann er das Projekt abbrechen oder beschleunigen/verlangsamen, indem er für die nächste Tranche mehr oder weniger Ressourcen beauftragt.
- Es besteht Flexibilität beim Inhalt. Sollte das Projekt ein anderes Vorgehen erfordern, so kann es jederzeit angepasst werden.
- Die Kosten für ein aufwändiges, in der Regel nicht vollständiges und schnell veraltendes Lastenheft werden gespart.
- Vertragsverhandlungen sind deutlich einfacher. Die Umsetzung kann auch dadurch schneller starten.
Eine Anmerkung zum Nachteil “keine Kostenklarheit im Vorfeld” sei mir noch erlaubt: Bekanntermaßen gibt es Kostensicherheit bezüglich eines Projektes a priori ohnehin nie, da ein nicht-triviales Projekt in der Regel nicht vollständig planbar ist (Grunderkenntnis der agilen Methoden). Dies weiß ein Dienstleister natürlich auch und preist daher bei einem Festpreisgewerk immer einen Risikoaufschlag ein. Im klassischen Modell wird es daher für den Auftraggeber sogar meist teurer, da er das Risiko auf jeden Fall bezahlt. Im agilen Modus hingegen nur, wenn die Risiken tatsächlich eintreten und er sich bewusst entscheidet sie zu bezahlen. Ansonsten kann er das Projekt stoppen.
Es kann jedoch sein, dass eine agile Beauftragung nach und nach in Tranchen unmöglich ist. Dies ist dann der Fall, wenn die Unternehmung Projekte nur freigibt, wenn vorher die Gesamtkosten benannt werden. Solche Budgetierungsprozesse verlangen nach einer Vorabplanung des gesamten Projektes. Wie unsinnig dies ist, wird in diesem Beitrag beschrieben: Prekäre Portfolio-Planung.
Toller Artikel! Ein Nachteil wäre eventuell noch: Man muss sich darauf verlassen, dass der Dienstleister zum neuen Sprint (bzw. zum benötigten Zeitraum) verfügbar ist.
Vielen Dank für das Feedback!
Der Hinweis stimmt genau. Auch anders herum wird für den Dienstleister die Staffing-Planung schwieriger, weil er immer nur für einen eng begrenzten Zeitraum beauftragt wird.
Dies ist ein weiterer Grund, warum eine Tranche nicht zu kurz gewählt sein sollte. Außerdem hilft hier ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer: Wenn das vorliegt, sollten beide Seiten sich schon ausreichend vorab signalisieren können, ob und wie es weitergehen wird.