Jurassic Park oder die Evolution der Unternehmen

Unternehmungen werden nach unterschiedlichen Ansätzen geführt. Ich sehe drei Typen, die sich als eine Art Evolution verstehen lassen: business-orientierte Unternehmen, technologieorientierte Unternehmen und produktorientierte Unternehmen.

Unter Führung von Unternehmen verstehe ich hier speziell, wie die Strategie definiert wird, wie über die Weiterentwicklung des Produktes oder der Dienstleistung entschieden wird, welche Kennzahlen dabei maßgeblich sind und welche Rolle die IT spielt.

Produktorientierung bedeutet Fokus auf den Kunden. Um nicht im Jurassic Park der ausgestorbenen Unternehmen zu landen, müssen Unternehmen produktorientiert werden.

Verschiedene tote Dinosaurier, die als Skelette vor einem düsteren Hintergrund stehen

Stufe 1 – Business-orientierte Unternehmen

Business-orientierte Unternehmen agieren sehr traditionell – ungefähr so, wie man es in BWL lernt. Gesteuert werden sie aus einer betriebswirtschaftlichen und Marketing-Sicht. Typischerweise haben Betriebswirtschaftler das Sagen und richten ihre Entscheidungen vorrangig an klassisch betriebswirtschaftlichen und kurzfristigen Kennzahlen aus. Beispiele dafür sind „Umsatz“ oder „Cash Flow“.  

Die IT wird hier als notwendiges Übel und Kostenfaktor behandelt und in diesem Sinne auch gerne outgesourct, sodass dann eigene technische Kompetenz fehlt.

Stufe 2 – Technologieorientierte Unternehmen

Mit der immer größeren Bedeutung von Technologie für Wertschöpfung und Produkte bzw. Dienstleistungen hat sich in vielen Unternehmungen die Rolle der IT gewandelt. Im Lauf der Jahre ist das Verständnis gereift, dass IT ein zentraler Teil der Unternehmung sein sollte. Der Artikel “Werdet IT-kompetent!” beschreibt, wie wichtig es ist, die eigene Wertschöpfung zu kontrollieren und deshalb IT-Kompetenzen selbst zu besitzen. In Firmen wie z. B. Zalando führte dieses Verständnis weg von einer zentralen IT-Abteilung und hin zu dem Ansatz “Tech Everywhere”, wo Geschäftseinheiten mit relevantem Bedarf an IT-Unterstützung eigene IT-Teams haben. Sie konkurrieren nicht mit anderen um eine zentrale “IT-Abteilung”, sondern verantworten ihr eigenes Budget. 

Unternehmungen, bei denen die IT die zentrale Rolle spielt, sind technologieorientierte Unternehmen. Die IT bestimmt die Strategie und die Weiterentwicklung der Produkte und Dienstleistungen. Entscheidungen orientieren sich oft daran, was technisch möglich (oder nötig) ist. 

Neben den klassischen business-orientierten Kennzahlen werden weitere KPIs für die Unternehmenssteuerung relevant, z. B. Nutzerzahlen, Conversion Rates oder Kosten für den IT-Betrieb (z. B. Cloud-Hosting-Kosten). 

Stufe 3 – Produktorientierte Unternehmen

Die nächste Evolutionsstufe entstand aus der Einsicht, dass technisch gute Produkte und Dienstleistungen allein keinen geschäftlichen Erfolg versprechen. Eine Lösung ist technisch gut, wenn sie skaliert, viele Funktionen hat etc. Wenn diese Funktionen jedoch primär aus technischen Überlegungen heraus entwickelt worden sind, heißt das noch lange nicht, dass sie echte Kundenprobleme lösen und deshalb nachgefragt werden. 

Hier kommt das produktorientierte Unternehmen ins Spiel. “IT” ist nach wie vor zentral für den Firmenerfolg. Aber nicht allein aus einer “Engineering-/IT-Sicht“, sondern ganzheitlich verstanden als “Tech”. Darunter verstehe ich die Kombination von Engineering/IT und Produktmanagement (unterstützt von User Research und Design).

Entscheidungen werden hier aus einer Produktmanagement-Sicht getroffen – das heißt mit einem klaren Kundenfokus. Nicht nur kurzfristige Umsatz-Optimierungen, sondern das Finden und Lösen echter Kundenprobleme und damit ein langfristiger Kundennutzen bilden die Strategie. IT ist nach wie vor wichtig für die Umsetzung, aber bestimmt nicht die Richtung. Es ist die Abkehr von einem technokratischen Ansatz hin zu einem kundenzentrierten. Im Artikel “Agilität gestern und morgen” habe ich ausgeführt, wie das im Detail aussieht. Besonders relevant ist die dort beschriebene Veränderung der Rolle des Product Owners als “Backlog-Verwalter” und “Stakeholder-Manager” hin zum Product Manager, der die Kunden versteht und aktiv die Produktstrategie entwickelt und treibt.

In einem produktorientierten Unternehmen sind nach wie vor die betriebswirtschaftlichen und die technologieorientierten KPIs relevant. Als Hauptkennzahlen werden jedoch vor allem langfristige, am Kundennutzen orientierte KPIs verwendet, z. B. der Customer Lifetime Value (CLV). 

Kundenfokus: Blick durch ein Kameraobjektiv, wo man einen Kunden in einer Einkaufsstraße vor Geschäften sieht

Fazit

Zusammengefasst unterscheiden sich die drei Evolutionsstufen von Unternehmen folgendermaßen: 

Business-orientierte UnternehmenTechnologieorientierte UnternehmenProduktorientierte Unternehmen
Entscheidungsfindungnach betriebs-wirtschaftlichen Gesichtspunktennach technischen Möglichkeitennach Kundenbedürfnissen
Zeithorizontoft kurzfristigmittelfristigmittel- bis langfristig
Rolle der ITzentrale Service-Abteilung/ KostenfaktorKernfunktion, strategiebestimmend, evtl. dezentralisiertProduktmanagement in Kernfunktion, oft dezentralisiert
Typische KennzahlenUmsatz, Cash Flowzusätzlich: Nutzerzahl, Conversion Rates, Hosting-Kostenzusätzlich: Customer Lifetime Value
Die Evolutionsstufen von Unternehmen

Natürlich gibt es auch heute noch Unternehmungen, die nicht unbedingt produktorientiert sein müssen, um erfolgreich zu sein. Aber für die meisten Unternehmungen gibt es eigentlich keine Ausrede. Meiner Beobachtung nach befinden sich viele jedoch irgendwo zwischen business-orientiert und technologieorientiert. Das bedeutet eine Menge Gefahren, aber auch Potenziale für diese Unternehmen.

Ich nenne die dritte Evolutionsstufe “produktorientierte Unternehmen”, weil das auf die Rolle des Produktmanagements hinweist. Man muss sich aber bewusst sein, dass “richtiges” Produktmanagement immer “Fokus auf den Kunden” bedeutet. Und ein solcher tut sicherlich jeder Unternehmung gut. Andernfalls droht irgendwann das Jurassic-Park-Schicksal, insbesondere dort, wo die Innovationsrate des Marktes hoch ist.

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